Snøhetta: Relations
Die mit dem Aga-Khan-Preis ausgezeichnete Bibliothek von Alexandria war ihr erstes großes Projekt, spätestens mit dem Opernhaus von Oslo und dessen begehbarer Dachlandschaft – für das sie u. a. den Mies van der Rohe Award und den European Prize for Urban Public Space erhielten – hat sich das norwegische Studio Snøhetta international einen Namen gemacht. 1989 gegründet als Arbeitsgemeinschaft aus Architekten und Landschaftsarchitekten ist Snøhetta heute mit 180 MitarbeiterInnen in zwei Hauptstudios in Oslo und New York sowie mit Niederlassungen in San Francisco und Innsbruck weltweit an einer Vielzahl von Projekten in den Bereichen Architektur, Landschaftsgestaltung, Innenarchitektur und Markendesign tätig.
In New York etwa realisierten sie den Eingangspavillon für das National September 11 Memorial & Museum und gestalteten jüngst den Times Square neu. In San Francisco erweiterten sie das SFMOMA von Mario Botta und transformierten dabei das Ausstellungshaus zu einem offenen, einladenden Ort für Kunst und Bildung. In Toronto schufen sie mit dem Ryerson University Student Learning Center auf acht individuell gestalteten Ebenen weitläufige Räume, in denen sich die Studierenden treffen und austauschen können. In Saudi Arabien entsteht derzeit das King-Abdulaziz-Zentrum für Wissen und Kultur und in Frankreich wurde vor kurzem Lascaux IV, das an der Idee einer Höhle orientierte Centre International d’Art Parietal eröffnet. Neben derart renommierten Projekten, die zumeist auf Wettbewerbserfolge zurückgehen, widmet sich Snøhetta aber genauso sehr kleinmaßstäblichen Arbeiten wie etwa einem Pavillon, von dem aus die wilden Rentierherden im Dovrefjell National Park beobachtet werden können, einer nur zu Fuß erreichbaren kleinen Jagdhütte mitten in den norwegischen Bergen oder einem Baumhaus in zehn Meter Höhe als Bestandteil eines Treehotel in Nordschweden.
Was alle Projekte von Snøhetta verbindet, ist die Herangehensweise, Architektur als gebaute Landschaft zu betrachten, als Landschaft, die einen architektonischen Raum definiert, der sich auch gesellschaftspolitisch artikuliert und Möglichkeiten eröffnet. Ausgehend von der intensiven Auseinandersetzung mit den jeweiligen lokalen Kontexten von Landschaft, Geschichte und sozialem Umfeld versuchen die immer interdisziplinär zusammengesetzten Teams eine für den jeweiligen Ort stimmige Lösung zu finden.
Interdisziplinarität ist bei Snøhetta kein Schlagwort, sondern treibende Kraft und Haltung, damit ein möglichst breites Konglomerat an Wissen, Erfahrungen und Ideen in den Entstehungsprozess einfließen kann. Denn bei Snøhetta entspringt ein Entwurf nie einer alleinigen Autorenschaft, sondern ist immer Ergebnis einer gemeinschaftlichen Entwurfsarbeit. Sowohl intern, indem an jedem Projekt ArchitektInnen, InnenarchitektInnen, LandschaftsplanerInnen und GrafikdesignerInnen in hierarchisch flach organisierten Teams zusammenarbeiten und ihre jeweils unterschiedlichen Blickwinkel einbringen, als auch extern in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus den unterschiedlichsten Bereichen – seien es KünstlerInnen, HandwerkerInnen, PhilosophInnen oder SoziologInnen – und den im jeweiligen Projektumfeld wirksamen Interessensgruppen. Hinter diesem pluralistischen Prozess steht das Ziel, möglichst vorurteilsfrei an eine Aufgabenstellung heranzugehen und ganzheitliche Ansätze zu entwickeln, die schlussendlich zu Lösungen führen, die bei allen Beteiligten eine hohe Akzeptanz erfahren.
Die Ausstellung „relations“ möchte diesen interdisziplinären, sozialen und landschaftsbezogenen Ansatz von Snøhetta sicht- und erlebbar machen. Dementsprechend handelt es sich um keine Werkschau, sondern um eine Bearbeitung und Umgestaltung der vorhandenen Räume und Strukturen. So werden die beiden oberen Räume des aut in eine „soziale Landschaft“ transformiert, auf der man liegen, sitzen und gehen kann, die die gewohnte Nutzung hinterfragt und zu einer ungewöhnlichen Art der Raumwahrnehmung animieren will. Unter dem Motto „Snøhetta and friends – details of collaborations“ wird anhand einer Gegenüberstellung von Entwürfen, Materialien und Prototypen und dem fertigen Projekt deutlich gemacht, welche Disziplinen und Professionisten jeweils am Entstehungsprozess mitgewirkt haben. Ein „nordic room“ ist dem Thema Ort und Landschaft gewidmet und stellt mit Fotografien und Erzählungen zum Teil sehr kleinmaßstäbliche und eher unbekannte Projekte von Snøhetta vor. Außerdem wird mit „A House to Die In“ der Entstehungsprozess eines konkreten Projekts, eines Hauses für den norwegischen Künstler Bjarne Melgaard, umfassend dokumentiert.