Geraubte Mitte
Der Stadtkern Berlins steht seit dem Mauerfall im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Seine künftige Gestalt ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Dabei wird häufig übersehen, dass es sich hier um den ältesten Teil der heutigen Metropole handelt.
Es gibt keinen geschichtsträchtigeren Ort in Berlin. Historische Zeugnisse gingen jedoch insbesondere durch Krieg und Nachkriegszeit weitgehend verloren. Lediglich einzelne Bauten wie die Marien- und Nikolaikirche oder das Rote Rathaus künden noch von regem städtischen Leben und der baulichen Vielfalt der Altstadt.
Noch weniger Spuren erinnern an die jüdischen Berliner, die seit dem hohen Mittelalter zur Stadtgesellschaft gehörten. Mit ihrer Verfolgung, Vertreibung oder Ermordung zwischen 1933 bis 1945 wurde dieser Teil der Bevölkerung ausgelöscht. Durch die Kriegszerstörungen und einen geschichtsvergessenen Wiederaufbau gingen auch die baulichen Zeugnisse jüdischen Lebens im Stadtkern weitgehend verloren. Dass von den einst 1.500 hier vorhandenen Grundstücken mindestens 225 in jüdischem Besitz gewesen waren, ist kaum bekannt.
Weder Gedenktafeln noch Stolpersteine erinnern an das Schicksal der Eigentümer. Anders als in anderen Berliner Bezirken, eigneten sich hier der nationalsozialistische Staat bzw. der Berliner Magistrat die meisten Grundstücke selber an. Das enge Zusammenspiel zwischen Stadtplanung und „Arisierung“ sollte die Voraussetzungen für den Umbau der Altstadt im Zuge der monströsen Vision einer „Welthauptstadt Germania“ schaffen. Die für das Ziel einer „Entjudung“ des Grundbesitzes nötigen Gesetze wurden diesen Planungen schrittweise angepasst.
Die in der Ausstellung dokumentierten Verfolgungsgeschichten von fünf Familien stehen exemplarisch für die vielen anderen jüdischen Eigentümer im Stadtkern Berlins. Sie machen die besondere Verantwortung deutlich, die mit künftigen städtebaulichen Entscheidungen für das Berliner Stadtzentrum verbunden sein muss.
Die Ausstellung im Rahmen des Themenjahres 2013 „Zerstörte Vielfalt“ wird gefördert durch die Friede Springer Stiftung und die Stiftung Preußische Seehandlung.
Wissenschaftliche Kuratoren: Dr. Benedikt Goebel, Lutz Mauersberger
Raumautoren: Dr. Gesa Kessemeier, Dr. Sebastian Panwitz
Projektleitung/-assistenz: Albrecht Henkys, Charlene Lynch
Ausstellungsarchitektur/Gestaltung: Thomas Meter, Ines Wenzel