Hans-Walter Müller

Ich habe die Schwerkraft schon verlassen
Adresse
Im Adambräu, Lois Welzenbacher Platz 1, 06020 Innsbruck
Öffnungszeiten
Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–17 Uhr
E-Mail

„Warum aufblasbare Strukturen? Weil sie uns in eine andere Welt entführen, uns zum Nachdenken anregen, uns vergessen lassen, was wir in der Schule gelernt haben. Damit wir wieder wir selbst werden können.“
(Hans-Walter Müller, 1975)

Der Architekt, Ingenieur und Künstler Hans-Walter Müller hat die aufblasbare Architektur zwar nicht erfunden, er hat ihr aber fast sein ganzes Leben verschrieben und dabei ein unglaubliches Œuvre geschaffen. Seit über 50 Jahren setzt er sich mit einwandigen pneumatischen Strukturen auseinander und realisiert Tragluftvolumen für so unterschiedliche Nutzungen wie Ausstellungen, Festivals, Theater- und Konzertaufführungen, aber auch für ein temporäres Einkaufszentrum oder eine zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge.

1935 in Worms geboren, studierte er an der Technischen Hochschule in Darmstadt und ab 1961 an der École des Beaux-Arts in Paris. Hier fand der Visionär und leidenschaftliche Zauberer in der Bewegung der kinetischen Kunst seine künstlerische Heimat. Ausgehend von Experimenten mit Diaprojektionen erfand er 1963 mit der „Genèse 63“ seine erste kinetische Maschine für motorenbetriebene Licht- und Bild-Projektionen, die er 1965 zur „Maschine M“ weiterentwickelte. Lotete er mit dieser vorerst das Potenzial aus, bewegte Bilder auf statische Flächen zu projizieren, so interessierte er sich ab Mitte der 1960er Jahre zunehmend dafür, wie die Architektur selbst bewegt gemacht werden kann. Im Rahmen der Ausstellung „Structures Gonflables“ im Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris, die sich 1968 ganz diesem Thema widmete, stellte er mit „Imaginaire Volux“ erstmals eine Kombination seiner Projektionen mit einem eigens dafür entwickelten Kunststoffvolumen aus. Die Luftzufuhr war so programmiert, dass das Volumen immer wieder zusammensackte und sich danach wieder aufbaute – ein Raum in atmender Bewegung.

Ab diesem Zeitpunkt widmete sich Hans-Walter Müller fast ausschließlich dem Thema der von Luft getragenen Architektur und entwickelte Volumen in immer größeren Dimensionen. Mit einer nicht einmal 40 kg schweren aufblasbaren Kirche erzielte er 1969 erstmals überregionale Bekanntheit. Es folgten erste Aufträge aus der Kunst- und Theaterszene, später auch von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. 1970 produzierte er mit einer Hochfrequenzschweißmaschine ein Volumen über sechseckigem Grundriss in drei Farb- bzw. Materialversionen, die er an unterschied- lichen Orten aufstellte und für Veranstaltungen vermietete und die, versehen mit Reißverschlüssen, auch miteinander verbunden werden konnten.

Als er sein Atelier in Paris aufgeben musste, suchte er nach einem Ort, an dem er selbst in einem seiner Volumen leben und experimentieren konnte und fand in La Ferté-Alais bei Paris ein Grundstück, das ihm zur Verfügung gestellt wurde. Dort lebt Hans-Walter Müller seit 1971 und arbeitet an seinen „Gonflables“, erfindet neuartige Befestigungssysteme, tüftelt an Lösungen für den Luftaustausch oder die Druckverluste an Türen und erwarb sich ein technisches Knowhow, das weltweit einmalig ist. Seine Arbeitsweise vergleicht er mit der eines Couturiers, der sein Material auswählt, Schnittmuster entwirft und Kunststoffbahnen zuschneidet, die er mit Hochfrequenzschweißmaschinen zu Räumen und Ensembles verbindet, die aus einer extrem dünnen Haut bestehen. Im Gegensatz zu der den Gesetzen der Schwerkraft unterliegenden „erstarrten“ Architektur, erschafft er leichte, „flüchtige“ Konstruktionen, die in kurzer Zeit an unterschiedlichsten Orten aufgestellt werden können. Im Inneren entstehen durch den Einsatz von unterschiedlich gefärbten, opaken, transluzenten oder transparenten Materialien einzigartige Raumatmosphären, die sich je nach Jahres- und Tageszeit verändern. Das Schönste ist für ihn dabei, wenn er Projektion, Musik und Volumen zusammenführen kann.

Die Ausstellung im aut bietet mit Fotografien, Filmen und Objekten sowie einem eigens für unsere Räume entwickelten Volumen mit Ton und Projektion einen Einblick in das Schaffen dieses Pioniers des Bauens mit Luft. Zeitgleich erscheint eine Publikation von Robert Stürzl, die erstmals auf Deutsch einen detaillierten Blick auf das Lebenswerk des visionären Architekten und Verfechters einer lebendigen Architektur ermöglicht.