Aufbruch in die Architekturmoderne El Salvadors

Ehrentraut Katstaller-Schott und Karl Katstaller
Adresse
Im Adambräu, Lois Welzenbacher Platz 1, 06020 Innsbruck
Öffnungszeiten
Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–17 Uhr
E-Mail

Zahlreiche Schulen, Märkte und Gemeindeämter, große öffentliche Verwaltungs- und Kulturbauten, aber auch eine Vielzahl an Projekten für private Auftraggeber – sie alle zählen zum beeindruckenden Œuvre, das Ehrentraut Katstaller-Schott (1924 – 2024) und Karl Katstaller (1921 – 1989) von den 1950er- bis in die frühen 1970er-Jahre in allen Teilen El Salvadors realisiert haben. Mit ihren Bauten prägten sie die architektonische Moderne des zentralamerikanischen Landes entscheidend mit und dennoch ist ihr Werk heute in Europa nahezu unbekannt.

Auf Initiative ihrer in Innsbruck lebenden Enkelin Rachel Katstaller und im Auftrag des aut begaben sich Ivona Jelčić und Nicola Weber auf Spurensuche, reisten nach El Salvador und sichteten das umfangreiche Privatarchiv, das sich im Wohnhaus des Paares befindet. Im Zug der Nachforschungen wurde schnell klar, dass insbesondere die erst kürzlich verstorbene Ehrentraut Katstaller-Schott in El Salvador als eine Pionierin der weiblichen Architekturgeschichte gilt. Die Ergebnisse dieser Recherche sind nun in einer Ausstellung im aut zu sehen, die von einer umfangreichen Publikation begleitet wird.

Die in Wien geborene Ehrentraut Schott und der aus Innsbruck stammende Karl Katstaller begannen ihre Ausbildung in den 1940er Jahren – sie in Wien und Graz, er in Berlin und Weimar. Um 1948/49 kreuzten sich ihre Wege an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo beide die Meisterklasse von Lois Welzenbacher besuchten – einem wesentlichen Vertreter der österreichischen Moderne, dessen Lehre sie entscheidend prägte. Gemeinsam arbeiteten sie an der Umsetzung eines von Welzenbacher entworfenen Privathauses im deutschen Kronberg. Dabei wurde aus den ehemaligen Kommiliton:innen ein Paar, das sich in Deutschland mit einem eigenen Büro selbstständig machte.

Eine entscheidende Wendung brachte 1952 ein Aufruf der salvadorianischen Regierung, die aktiv ausländische Architekt:innen anwarb, auch weil es dort damals noch keine entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten gab. Im Frühjahr 1952 reiste das Paar nach San Salvador, um für das Department für Urbanisierung und Architektur (DUA) des Ministeriums für öffentliche Bauten tätig zu werden und kehrte nicht mehr nach Europa zurück. In den folgenden 10 Jahren arbeiteten sie intensiv am Modernisierungsprogramm mit, das – finanziert durch den florierenden Kaffeehandel in dem an sich sehr armen Land – die Vision eines betont fortschrittlichen „Wohlfahrtsstaates“ verfolgte. Im Gegensatz zur überwiegend konservativen Haltung in Österreich waren in El Salvador beim Aufbau eines landesweiten Netzes von Bildungszentren, Märkten, Sportanlagen, Kulturbauten und Siedlungen progressive Ansätze experimentierfreudiger Architekt:innen willkommen.

Orientiert an den Prinzipien der internationalen Moderne entwickelten Ehrentraut Schott und Karl Katstaller ihren eigenen, den klimatischen und topografischen Bedingungen der Region angepassten Stil eines „modernismo tropicalizado“ und verbanden dabei das in Europa erworbene technische Wissen mit lokalen Architekturtraditionen. Weit auskragende Vordächer, offene Korridore, horizontale Sonnenblenden, ornamentale Gitterwerke aus Ziegel oder Bimsbetonrohren sowie die Integration von üppiger Vegetation werden zu immer wiederkehrenden Elementen, die für natürliche Belüftung und Kühlung sorgen. Die plastische Vielfalt der Oberflächen charakterisiert viele ihrer Bauwerke, wie zum Beispiel die Primaschule in San Vicente (1954). Hier experimentierten sie auch erstmals mit einer Hängedachkonstruktion aus Stahlbeton, ein Prinzip das 1963 beim Sportstadion Óscar Quiteño in Santa Ana perfektioniert wurde und zum skulpturalen Erscheinungsbild der Bauten beiträgt.

Zu einem der ikonischsten Gebäude des Architekt:innenpaares zählt das 1958 errichtete Verwaltungsgebäude der Hafenbehörde CEPA in Acajutla, deren markantes tiefes Betongitterwerk zugleich Verschattung und prägendes Gestaltungsmerkmal ist. Oder auch das nach ihrer Anstellung bei der DUA realisierte Staatliche Museum für Anthropologie in San Salvador (1962), ein eleganter, mit hyperboloiden Betonschalenelementen überspannter Bau, der mit klaren Linien und reduzierter Formensprache den Geist der internationalen Moderne atmet.

Parallel zu ihrer Tätigkeit bei der DUA engagierten sich Ehrentraut und Karl gemeinsam mit anderen Kollegen für die Gründung einer Architekturfakultät an der Universität von San Salvador und gehörten ab 1954 zu den ersten Professor:innen. Ehrentraut Schott holte 1959 noch einmal einen Studienabschluss nach und erhielt dadurch 1960 die Befugnis zur selbständigen Arbeit. Damit gilt sie als erste Frau, die in El Salvador als Architektin praktizierte und lehrte, was sie zu einem Vorbild für nachfolgende Generationen machte.

In den folgenden Jahren widmete sich das seit 1962 verheiratete Paar vor allem privaten Aufträgen ausländischer Geschäftsleute, für die sie Wohnhäuser, Bürogebäude und Industrieanlagen entwarfen. Häufig war auch die Inneneinrichtung Teil des Auftrags, wie die zahlreichen Entwürfe für Möbel oder ganze Räume im typischen Midcentury-Stil belegen. Im Garten ihres Wohnhauses in San Salvador (1973), richteten sie sogar eine eigene Möbelwerkstatt ein. 

Im Laufe der 1970er-Jahre wurde die politische Lage in El Salvador immer instabiler und die Unruhen eskalierten 1980 in einem blutigen Bürgerkrieg, der fast zwölf Jahre dauern sollte.  Die Katstallers blieben zwar im Land, aber die Bautätigkeit kam zum Erliegen. Nach dem frühen Tod von Karl Katstaller im Jahr 1989 arbeitete Ehrentraut noch bis ins hohe Alter weiter, vor allem an privaten Umbauten und Interieurs.

Die von Ivona Jelčić und Nicola Weber kuratierte Ausstellung im aut – passenderweise in einem von Lois Welzenbacher entworfenem Gebäude – dokumentiert erstmals umfassend Leben und Werk des Architekt:innenpaars. Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Materialien aus dem umfangreichen Privatarchiv in El Salvador, darunter Entwurfsskizzen, Pläne sowie Fotografien von Ehrentraut Katstaller-Schott, die die eigenen Bauten mit der Kamera dokumentiert hat. Auch persönliche Dokumente, Korrespondenzen, Texte und Filmaufnahmen geben Einblick in die Lebensgeschichten und außergewöhnlichen Karrieren der gebürtigen Wienerin und des gebürtigen Innsbruckers.

Begleitend zur Ausstellung erscheint bei Park Books die Publikation „Zwischen den Kontinenten. Ehrentraut Katstaller-Schott, Karl Katstaller und die Architekturmoderne Mittelamerikas“.