Potenziale 3
Die Ausstellung „Potenziale“ ist ein Überblick über die Arbeit an der Architekturfakultät der Universität Innsbruck, welche mit etwa 10-jährigem Abstand nun zum dritten Mal in Kooperation mit dem aut stattfindet. Während 2003 die erste Ausstellung dieser Reihe ganz auf Studierendenarbeiten basierte und die heranwachsende Architekturgeneration präsentierte, war die Folgeausstellung 2013 dem kreativen Potenzial an den Instituten gewidmet. Die diesjährige Ausstellung rückt relevante Zukunftsfragen und Themenfelder ins Zentrum, mit denen sich die Fakultät gegenwärtig beschäftigt. Folgerichtig steht die „Potenziale 3“ ganz im Zeichen der aktuellen Architekturforschung an der Fakultät. Über fachliche und organisatorische Strukturen hinweg, richtet sie den Blickpunkt auf das Doktoratsstudium (PhD) als höchste Stufe der akademischen Ausbildung und zeigt dessen Einfluss auf die vielschichtige und transdisziplinäre Forschungslandschaft der Fakultät.
Die Architektur als generalistische und holistische Disziplin war schon immer heterogen und disziplinübergreifend. Eine Zuteilung der Architektur und des Designs in eine der beiden etablierten wissenschaftlichen Bereiche (Arts & Humanities und Science) erwies sich als unbefriedigend. Stattdessen etablierte sich eine „dritte Kultur“ innerhalb der Forschung, die auf Entwurfswissen beruht und eigenständige Methoden der kreativen Wissensproduktion hervorbringt. Im Zentrum dieser eigenständigen Forschungskultur steht die Konzeption und Realisation des „Neuen“; im Unterschied zu anderen akademischen Bereichen beschäftigt es sich weniger mit der vorhandenen Realität, sondern arbeitet in einem spekulativen Raum. (Nigel Cross, Designerly ways of knowing). Als Reaktion darauf entstand in den letzten Jahren eine ganze Reihe von neuen Formaten innerhalb der Architekturforschung, die auch im eben erneuerten Curriculum des Doktoratsstudiums an der Fakultät Eingang gefunden haben: design-orientierte Forschung (Research by Design), praxis- bzw. kunstgeleitete Forschung (Practice-based Research, Arts-based Research), um nur einige zu nennen. Diese Formate erlauben es, auf die Eigenheiten der architektonischen Forschung besser einzugehen und design-spezifische Fragen präziser auszuloten. So verwundert es auch nicht, dass sich die Aktivität im postgradualen Angebot der Fakultät sprunghaft erhöht hat.
Die Ausstellung versammelt 47 Doktoratsstudierende und Absolvent*innen der vergangenen fünf Jahre und zeigt ihre für den gegenwärtigen Architekturdiskurs höchst relevanten Arbeiten. Die beeindruckende Bandbreite der ausgestellten Themen eröffnet Einblicke in die vielfältigen Zugänge innerhalb des Forschungsportfolios der Fakultät: Die gezeigten Positionen verfolgen etwa theoretische und historische Agenden mit dem Ziel, das Wissen über Architektur zu erweitern und zu vermitteln. Bio-digitale Design- und Materialisierungsstrategien werden entwickelt und mittels Prototypen erprobt. Andere Dissertationen beschäftigen sich mit künstlerischen Methoden in der Architektur; mittels urbaner Interventionen werden Aktivismus und Partizipation generiert und diskutiert. Ein anderer Fokus liegt auf der Integration digitaler Technologien und Entwicklungen wie Artificial Intelligence, Augmented oder Virtual Reality und Robotik in Entwurf und Fabrikation. Ein weiteres Themenfeld ist das Urban Design und die Diskussion innovativer urbaner Morphologien an der Schnittstelle zwischen Stadt, Landschaft und Territorium. Die Ausstellung zeigt aber auch die enge Verknüpfung der einzelnen Arbeiten im fakultären und internationalen Diskurs. Der hohe Grad an thematischer Überlappung entlang von relevanten Fragestellungen eröffnet neue Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit über die universitären Strukturen wie Institute oder Fakultäten hinaus.
Das kuratorische Konzept der Ausstellung fächert das Forschungsspektrum der Fakultät entlang von diskursiven Räumen auf mehreren Ebenen im Adambräu auf. Durch das Gruppieren der Arbeiten werden thematische Schwerpunkte und Bezüge für den/die Besucher*in erlebbar. Jeder Beitrag hat eigens für die Ausstellung eine Präsentationsform entwickelt, um die Forschungsarbeiten für die Besucher*innen unmittelbar und zum Teil interaktiv erlebbar zu machen. Die Formate reichen von räumlichen Installationen, einer begehbaren künstlichen Landschaft, immersiven Räumen, einem Salon für Diskussionen, bis hin zu Sammlungen von Artefakten und Modellen. So entsteht eine entlang von Schwerpunkten gegliederte Forschungslandschaft, die es ermöglicht, sich in einzelne Arbeiten zu vertiefen und gleichzeitig einen Überblick darüber gibt, wohin sich Architekturforschung und Designproduktion gegenwärtig entwickeln.
Die Ausstellung verdeutlicht nicht nur die Potenziale, die in der Qualität der einzelnen postgradualen Arbeiten liegen, sondern zeigt die Bedeutung, die aus ihrem diskursiven Zusammenwirken entsteht. So wird auch die neue Dynamik des Doktoratsstudiums nachvollziehbar – weg vom vereinzelten „Selbststudium“ hin zu einer neuen Art der kollaborativen Designpraxis, die neue Methoden und Formate auslotet, relevante zeitgenössische Fragen aufwirft und imstande ist, auch neue Betätigungsfelder und Vermittlungsformen zu schaffen.
In einer Zeit, in der der ökonomische und gesellschaftliche Druck die Spiel- und Denkräume innerhalb der Architekturproduktion zunehmend verengt, kann universitäre Forschung ihr volles Potenzial erreichen und die Architekturpraxis mit neuen Impulsen versehen. Die spekulativen und kreativen Räume, die sich hier auftun, sind die tatsächlichen Potenziale, von denen diese Ausstellung erzählt.
(Text: Stefan Rutzinger)
Eine Ausstellung in Kooperation mit der Universität Innsbruck und mit freundlicher Unterstützung von J. u. A. Frischeis Ges.m.b.H., infoWERK Medien & Technik GmbH, PIXELPROJECT GmbH, ROTHO BLAAS GmbH, Tschabrun Holz & Baustoffe