Reinhold Adolf
Die Recherche zur Ausstellung über die 1970er-Jahre in Tirol, die wir 2020 zeigten, führte zu zwei Entdeckungen von Tiroler Designern, die international agierten, aber mittlerweile in Vergessenheit geraten sind: Egon Rainer (1938 – 2019), dessen Schaffen wir 2021 in einer Personale würdigten, und Reinhold Adolf (1924 – 1999), den wir nun mit dieser, in Zusammenarbeit mit dem Designer Georg Juen konzipierten Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.
Der in Innsbruck geborene und lebende Designer Reinhold Adolf entwickelte zum einen Möbel für so renommierte Marken wie Thonet, COR, Lübke oder Pohl und Schröder, zum anderen plante er als Innenarchitekt vorwiegend Einrichtungen für Privathäuser. 1967/68 war er in der neugegründeten Baumusterzentrale Innsbruck aktiv, wo er u. a. als Redaktionsmitglied der hauseigenen Zeitschrift für Bauwirtschaft und Wohnkultur einen – in Auszügen auf S. 4/5 abgedruckten – Beitrag verfasste, in dem er die Aufgabengebiete eines Innenarchitekten darlegt und damit wohl auch sein Selbstverständnis als ein Generalist, der technische, psychologische und physiologische Kenntnisse und Forschungen mit Kunstsinn verbindet.
Ausgehend von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der körperlichen Entspannung galt Reinhold Adolfs Leidenschaft ab dem Beginn der 1960er-Jahre der Entwicklung eines neuartigen Sitzmöbels, das sich nicht nur wie ein Schaukelstuhl eindimensional nach vorne und hinten bewegt, sondern in alle Richtungen mitschwingt und ein ergonomisches Sitzen erlaubt. Auf der Suche nach einer technischen und konstruktiven Lösung konzipierte er um 1962 einen Freischwinger auf Stahlkufen mit engem Radius, der genau jenes „dreidimensionale“ Schwingen ermöglicht, von dem wir heute aus psychologischen Forschungen wissen, dass damit maximale Entspannung erreicht wird.
In Franz Taibel sen., dem Inhaber einer Tullner Manufaktur für Sitz- und Polstermöbel, fand Adolf vorerst einen Partner, mit dem er seinen patentierten Entwurf umsetzen konnte. Anlässlich der Präsentation dieses „Schwing-Fernsehsessels mit Fußteil“ auf der internationalen Kölner Möbelmesse 1964 kam Reinhold Adolf in Kontakt mit Helmut Lübke, dem Miteigentümer der in Nordrhein-Westfalen beheimateten Firma COR-Sitzkomfort, der großes Interesse am Schwingsessel bekundete und in Folge die Produktionsrechte erhielt. 1972 kam bei COR außerdem mit dem „Sinus“ ein auf Basis des Entwurfs von Reinhold Adolf vom Designer Hans-Jürgen Schröpfer überarbeitetes Modell auf den Markt, das wie der Schwingsessel mittlerweile als Designklassiker gilt.
Auch Reinhold Adolf arbeitete viele Jahre an Weiterentwicklungen seines Modells, die allerdings nie über das Stadium von bis ins kleinste Detail durchdachten Studien hinauskamen. Diese wohl frustrierende Situation, die zunehmende Verstrickung in Patentstreitigkeiten sowie gesundheitliche Probleme führten dazu, dass Reinhold Adolf 1978 sein Atelier schloss und sich sukzessive aus der Welt des Designs zurückzog.
Die Ausstellung im aut bietet anhand ausgewählter Möbel, Skizzen, Fotografien und Dokumente einen ersten Einblick in das Schaffen des heute weitgehend unbekannten Designers. Begleitend dazu erscheint eine Broschüre, die es ermöglicht, sich mit Reinhold Adolf und der Geschichte seines Schwingsessels auseinanderzusetzen.