Kirchen als Vierte Orte
Zwischen 30 und 50 Prozent der Kirchengebäude in Deutschland werden in den kommenden Jahrzehnten leer stehen. Von den ungefähr 6.000 Kirchen in Nordrhein-Westfalen fallen also bis zu 3.000 aus der Nutzung. Sind diesem Trend die kirchlichen Institutionen bis vor wenigen Jahren nicht oder kaum begegnet, erhöht sich aktuell der Handlungsdruck zum Umgang mit dem Bestand deutlich.
Kirchen sind ein einzigartiges baukulturelles Erbe, denkt man etwa an die weltbekannten Kirchengebäude der Nachkriegsmoderne an Rhein und Ruhr. Sie sind aber auch wichtige Orte der Gemeinschaft und eine Gebäudetypologie, mit der viele Emotionen und Erinnerungen verbunden sind. Emotionalität spiegelt sich auch in den langwierigen und konfliktbehafteten Umnutzungsprozessen von Kirchengebäuden wider. Deren Erfolg wird dabei vor allem von dem persönlichen Engagement der vielen beteiligten Personen und deren Konfliktfähigkeit bestimmt.
Das Museum der Baukultur NRW rückt von 1.9 bis 6.10.2024 in der Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ Menschen in den Mittelpunkt, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit dem Thema Kirchentransformation beschäftigen. Präsentiert wird die Ausstellung in der Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg. Die Eröffnung findet statt am Sonntag, 1.9.2024, um 11 Uhr.
Dem Leerstand und Abriss von Kirchen steht ein gesellschaftlicher Bedarf nach Orten für sozialen Austausch, Gemeinschaft und gesellschaftliche Identifikation gegenüber. Kirchengebäude bieten sich dafür besonders an – stiften sie doch durch ihre Architektur Identität im Stadtraum, ermöglichen Menschen Raum für Austausch, Spiritualität sowie Einkehr und besitzen einzigartige Atmosphären sowie emotionale Qualität. Damit erzeugen Kirchen etwas Neues, einen „Vierten Ort“, der über die Funktion als Treffpunkt für die Gemeinschaft (die sogenannten Dritten Orte) hinausgeht.
In Form von Video-Interviews illustriert das Museum der Baukultur NRW die Bandbreite, die Vielfältigkeit und Komplexität der an den Umnutzungsprozessen beteiligten Personen sowie ihre Haltungen. Dabei geht es auch um den Dialog und um die Zusammenarbeit, die zur Verständigung für eine erfolgreiche Kirchenumnutzung nötig ist.
Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bilden Beispiele von bereits umgenutzten Kirchen aus Nordrhein-Westfalen. Vorgestellt werden diese mittels Fotos und Texten. Durch diese wird die inhaltliche und architektonische Bandbreite von möglichen Transformationen sichtbar. Zudem liefert die Ausstellung Hintergrundinformationen, unter anderem zum Denkmalschutz, zur Rolle der Kommunen oder zum Kirchenrecht.
„Kirchen als Vierte Orte“ gibt einen Impuls und eröffnet Dialoge über die Zukunft nicht mehr liturgisch genutzter Räume. Begleitende Diskussions- und Workshopveranstaltungen bringen dazu die lokalen und angrenzenden Gemeinden, Anwohner, Vereine und andere Gruppen in den Austausch zur Umnutzung.
Eröffnung: 1.9.2024, 11 Uhr