27.11.2022–1.1.2023

Gigon/Guyer

Kirchner Museum revisited
Adresse
Promenade 82, Davos CH-7270
Öffnungszeiten
Di–So 11–18 Uhr

Vor 30 Jahren wurde das Kirchner Museum Davos gebaut. Das Jubiläum bietet Anlass, die Entstehungsgeschichte des Museums und seine Architektur in den Fokus zu stellen. Wer hat das Kirchner Museum ins Leben gerufen? Was bietet es den Museumsbesucher:innen, was den Davoser:innen, was den Touristen? Was leistet das Gebäude für die Kunst Ernst Ludwig Kirchners, was für die Werke anderer Kunstschaffender? Wie funktioniert das Museum – wie sieht es über, hinter und unter den Ausstellungssälen aus? Würde man es heute anders bauen? Wann werden wieder Bäume gepflanzt?

Die Ausstellung zum 30-jährigen Jubiläum ist ausnahmsweise dem Museumsgebäude selbst gewidmet. Bei seiner Erstellung erregte es einiges Aufsehen und wurde wegweisend für den Museumsbau, auch über die Landesgrenzen hinaus. Annette Gigon und Mike Guyer gewannen als junge Architekten 1989 den Wettbewerb. Sie schufen ein zeitgenössisches und zugleich zeitloses Museum, das an die Tradition des Museumsbaus anknüpft, dabei auch den alpinen Klimaverhältnissen von Davos gerecht wird und Ausstellungsräume schafft, die der Kunst grosszügig den Vorrang lassen.

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln nimmt die Ausstellung diverse Facetten des Hauses in den Fokus: Die Geschichte der Entstehung des Museums wird von verschiedenen Protagonisten erzählt. Seine Räume, die Lichtführung, die Materialien, die Ein- und Ausblicke werden auf verschiedene Weise erfahrbar, unter anderem auch in originalen Modellen und Plänen, sowie in neuen filmischen Erkundungen in den nicht öffentlich zugänglichen Räumen von Severin Kuhn. Weitere Museumsbauten der beiden Architekten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz mit je unterschiedlicher Konzeption und Gestalt scheinen auf. Auch selbstkritische Reflexionen über die Nachhaltigkeit von Architektur stehen im Raum.

Damit die Architektur in ihrer vollen Pracht genossen werden kann, bleibt ein Ausstellungssaal komplett leer. Der leere Ausstellungssaal dient dem renommierten Künstler Tino Sehgal und seiner Kuratorin Marietta Piekenbrock als Inspirationsquelle und Bühne. In den letzten zwanzig Jahren hat Sehgal das Flüchtige und Immaterielle zum Terrain für die Kunst gemacht und massgeblich dazu beigetragen, Museen in Erfahrungsräume und Orte für Begegnungen zu verwandeln. Während der Jubiläumsausstellung zeigt Sehgal zwei Live-Arbeiten und macht das Kirchner Museum dabei in ganz neuer Weise lebendig. Einerseits hat Tino Sehgal seine früheste Arbeit, das Solo Instead of allowing some thing to rise up to your face dancing bruce and dan and other things (2000) ausgewählt. Was wir sehen (auch wenn es für einen Moment so wirken könnte), ist kein vages Rollen, Sinken oder Krümmen. Wie ein Bildhauer des Minimalismus hat der Künstler Skulpturen-Körper geschaffen, mit einer besonderen Sensibilität für die Beschaffenheit des Raums. Beiläufige Details können mit in das Werk einfliessen. Das irritierte Stocken eines Vorrübergehenden, wechselndes Licht, Fetzen eines Gesprächs, der Blick auf eine architektonisches Element – es ist dieses absichtsvolle Gewebe subtiler Wechselwirkungen, die das Werk umgeben und gleichzeitig die Architektur zum Scheinen bringen. Sein neustes Werk heisst This Joy (2020), darin widmen sich fünf Tänzer:innen der Musik Ludwig van Beethovens. Es wird bei der ersten Edition des Tanzfestival am Kirchner Museum vom 28. Dezember 2022 bis zum 1. Januar 2023 aufgeführt.